Schweriner Volkszeitung vom 12. September 2007
 

Sonnabend ist Vorsorgetag

von Karin Preuß

Ein volles Wartezimmer, Andrang am Empfangstresen und ein immerfort klingelndes Telefon, an dem Patienten nach Terminen fragen - so wie in der Praxis von Dr. Michael Kärn sieht es bei vielen Ärzten aus. Doch der Schweriner Augenarzt und sein Team wollen jetzt Abhilfe schaffen. Seit dem vergangenen Sonnabend öffnet die Praxis im Schweriner Stadtteil Lankow regelmäßig zur Vorsorgesprechstunde.
Vorsorge wird nicht mehr von den Kassen bezahlt"Die Crux für uns Augenärzte ist ja, dass sämtliche bei uns anfallenden Vorsorgeuntersuchungen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen herausgenommen worden sind", so Dr. Kärn. Das Bewusstsein zur Vorsorge sei aber ungeachtet dessen, dass sie aus der eigenen Tasche bezahlt werden muss, sehr groß, hat der Augenarzt zumindest für die Patienten seiner Praxis konstatiert: "Mindestens ein Drittel unserer Patienten kommt beispielsweise regelmäßig zur Glaukom-Vorsorge." Weil kein dringender Handlungsbedarf besteht, bekommen sie regelmäßig erst nach mehreren Monaten einen Termin. Und selbst dann "verstopfen" diese Patienten noch die Sprechstunde für Menschen, die mit akuten Beschwerden zum Augenarzt kommen. Ein Zustand, mit dem keiner der Beteiligten glücklich ist.

Mit der Sonnabend-Vorsorgesprechstunde will Dr. Kärn dem jetzt abhelfen. Die Schlüsselrolle dabei spielen weniger er selbst und sein angestellter ärztlicher Kollege Alexander Böhme, sondern vielmehr bereits die Schwestern bei der Terminvergabe. Sabine Heider, die die Arbeit von fünf fest angestellten Schwestern und drei Auszubildenden in der Praxis koordiniert, weiß um die Verantwortung, die sie und die Kolleginnen dabei tragen: "Aber als augenärztliche Arzthelferin muss man einfach wissen, welche gezielten Fragen man stellen muss, um die Dringlichkeit eines Falles einzuschätzen." Sieht jemand aus heiterem Himmel Blitze bzw. real nicht existierende "Fliegenschwärme" oder ist das Gesichtsfeld halbseitig eingeschränkt, muss er so schnell wie möglich ärztlich untersucht werden.

Praxismanagement über mehrere Jahre verändert"Für diese Fälle haben wir in der Terminplanung einen Puffer, um immer den einen oder anderen Akutfall dazwischenschieben zu können", erläutert Sabine Heider.
Was jetzt organisatorisch - von nicht planbarem Zulauf während der Urlaubsvertretung für andere Praxen einmal abgesehen - gut funktioniert, bedurfte in der Praxis eines mehrjährigen Lernprozesses. "Wir haben im Jahr 2003 eine professionelle Praxismanagement-Beratung in Anspruch genommen", so Dr. Kärn. Die Trainer, die z. B. auch schon Lufthansa-Stewardessen darin ausbildeten, in der Luft mit "Problem-Passagieren" fertig zu werden, legten dabei den Finger in so manche Wunde. "Früher haben die Schwestern aus Mitleid oder Angst immer noch jemanden in den Kalender reingequetscht", erinnert sich der Augenarzt, der dann den Unmut derjenigen zu spüren bekam, die trotz vor Wochen oder Monaten vereinbarten Termins umso länger im Wartezimmer sitzen mussten. "Mittlerweile wissen wir, dass wir die Sprechstunde nicht zu voll machen dürfen", so Sabine Heider. Was auch unangenehme Konsequenzen haben kann: "Wenn das nächste halbe Jahr ausgebucht ist muss man zu einem Patienten auch mal Nein sagen können - denn ein Termin in einem Jahr hilft keinem."

In der Tat gibt es auch in dieser gut organisierten Praxis Termine, die ein halbes Jahr im Voraus vergeben werden. "Wir haben etwa 700 Patienten mit einem Grünen Star, bei denen alle drei Monate eine Kontrolluntersuchung erforderlich ist", erläutert Schwester Sabine. "Das heißt, unsere chronischen Patienten müssen immer gleich zwei Termine mitnehmen." Im Umkehrschluss heißt das auch: Jede Änderung der Praxisorganisation - egal ob eine Veränderung der Sprechzeiten oder auch der Praxisurlaub - muss mit mindestens einem halben Jahr Vorlauf geplant werden.
Dr. Kärn: In kürzester Zeit wird es Nachahmer geben. Mit der Vorsorge-Sprechstunde ging es allerdings schneller. Im Idealfall soll sie ja dafür sorgen, dass noch mehr "Luft" in die Praxisplanung kommt. Wer eine Termin zum Augencheck für den Führerschein, zur Vorsorge für den Grünen Star, zur Früherkennung von Gefäßschädigungen oder der altersbedingten Makuladegeneration beziehungsweise für eine andere "Igel"-Untersuchung wünscht, der wird von den Schwestern künftig vorrangig auf den Sonnabend verwiesen. Als Selbstzahler ist er dann quasi Privatpatient.
Den Praxismitarbeiterinnen, die ab jetzt in regelmäßigen Abständen auch sonnabends zum Dienst eingeteilt sind, hat der Chef einen Freizeitausgleich zugesagt. "Er hat uns vorher gefragt, alle waren einverstanden", so Sabine Heider. "Schließlich müssen viele andere ja auch sonnabends arbeiten." Und wenn mit der Vorsorge-Sprechstunde alles so klappt, wie Dr. Kärn es sich vorstellt, wird die Arbeit an den normalen Wochentagen schließlich auch für die Schwestern sehr viel weniger anstrengend.
Absehbar ist das schon jetzt: Bereits in den ersten drei Stunden nach Bekanntgabe der zusätzlichen Praxis-Öffnungszeiten waren die Termine für drei Vorsorge-Sonnabende vergeben. "Die Patienten sind teilweise sehr froh über das Angebot. Manche waren noch nie beim Augenarzt und konnten nirgends durchkommen", so Dr. Kärn. Er ist sicher: "In kürzester Zeit bieten meine Kollegen und Kolleginnen auch eine Vorsorgesprechstunde an!"



Warten auf den Arzt-Termin

12. September 2007 | von Karin Preuß

Vor wenigen Wochen platzte einem Diabetiker von der Insel Poel der Kragen. Im November 2006 hatte er in einer Wismarer Augenarztpraxis einen Termin für den 26. Juni 2007 bekommen. Doch am Tag zuvor rief man aus der Praxis an: Leider müsse sein Termin auf den 4. September verschoben werden. Sollte ihm der Termin nicht passen, könnte er erst im Januar 2008 einen neuen bekommen. Der Poeler akzeptierte die Verschiebung zähneknirschend, machte seiner Wut aber in einem geharnischten Brief an den Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) MV, Dr. Wolfgang Eckert, Luft.

Zu noch drastischeren Mitteln griff eine Wismarer Familie, deren Tochter in derselben Augenarztpraxis trotz eines sichtlich entzündeten Auges überhaupt nicht behandelt werden sollte. Die Arzthelferin riet dem Vater, mit seiner Tochter nach Schwerin zu fahren. Dass der Bruder des Mädchens an diesem Tag um 17 Uhr einen Termin in jener Praxis gehabt hätte, den er aber nicht wahrnahm, spielte keine Rolle. Als schließlich auch noch der gerufene Notarzt die Behandlung des Mädchens mit Hinweis auf seine fehlende augenärztliche Qualifikation ablehnte, rief der Vater die Polizei. Und die wies die ärztliche Behandlung in der Augenarztpraxis als Notfall an.

Beides sind, so Dr. Eckert, besonders spektakuläre Fälle. Einzelfälle aber sind es nicht. "Die Wartezeiten auf einen Termin beim Augenarzt sind nach wie vor sehr lang", bestätigt der KV-Chef, der verschiedene Ursachen dafür ausmacht.
Planung berücksichtigt Alter und Gesundheitszustand nichtDie erste Ursache liegt in der Reglementierung der Ärzte-Zulassung. "Die Planzahlen werden bundesweit erstellt. Sie berücksichtigen, auf wieviele Einwohner wieviele Ärzte einer bestimmten Fachgruppe zu kommen haben. Unberücksichtigt bleiben aber die Altersstruktur und die Erkrankungshäufigkeit in den einzelnen Regionen", so Dr. Eckert. Dass die Zahl der an Diabetes, Bluthochdruck oder Übergewicht leidenden Menschen in Mecklenburg-Vorpommern besonders hoch sei, bliebe also unbeachtet. "Gerade diese Patientengruppen aber müssen auch regelmäßig zur augenärztlichen Kontrolle", erläutert Dr. Eckert.

Um die größten "Löcher" im Bereich Schwerin/Wismar zu stopfen, habe nun die KV einen Sonderbedarf für die Zulassung eines weiteren konservativ tätigen Augenarztes ab 1. Januar 2008 bewilligt, so Dr. Eckert. In Wismar sei eine Augenärztin, die ihre Zulassung bereits ruhen ließ, "reaktiviert" worden. "Wir haben die Kolleginnen motivieren können weiter zu praktizieren, bis sich ein Kollege findet, der ihre Praxis übernimmt. Bei der Suche wollen wir sie unterstützen", erklärt der KV-Chef. Schließlich habe er sich auch in einem Schreiben an die Augenklinik der Schweriner Helios-Kliniken gewandt und angeboten, eine Ermächtigung zur ambulanten Versorgung zu erteilen. "Das war am 20. Juli. Eine Antwort habe ich bis heute nicht bekommen," bedauert Dr. Eckert.

Einbeziehung der Kliniken könnte Entlastung bringenDennoch steht er dazu: Neben der über die aktuellen Bedarfsplanung hinausgehenden Zulassung von Ärzten könnte vor allem die Einbeziehung der Kliniken in die ambulante Versorgung zumindest zu einer gewissen Entspannung der Lage beitragen.
Was die Zulassung weiterer Ärzte betrifft, tut sich allerdings ein weiteres Problem auf. "Der ärztliche Nachwuchs aus den Universitäten kommt nicht mehr in den Praxen an", konstatiert Dr. Eckert. Sprich: Der Arztberuf wird immer unattraktiver - und hier im Nordosten erst recht. "Um Ärzte aus anderen Bundesländern dazu zu bewegen, sich hier niederzulassen, fehlen uns die Mittel", konstatiert Dr. Eckert. "Wir können ihnen einfach nicht das Honorar bieten, das in den alten Bundesländern gezahlt wird." Um 20, verglichen mit Bayern sogar um 30 Prozent niedriger seien die Bezüge der niedergelassenen Ärzte hier im Osten.

Das bezöge sich nicht nur auf Augenärzte, sondern auch auf andere Fachrichtungen und auf Hausärzte. "Selbst die finden vielfach keine Praxisnachfolger mehr", weiß Dr. Eckert, der auf einen aktuellen Fall in Rostock verweist. Patienten einer aus Altersgründen aufgegebenen Hausarztpraxis beklagten, dass sie in anderen nahe gelegenen Praxen nicht mehr aufgenommen würden. Und ein Nachfolger für den alten Arzt sei nicht in Sicht.

"In dieser Hinsicht hoffen wir auf die Reform der ärztlichen Honorierung, die zum 1. Januar 2009 in Kraft treten wird. Dann soll eine ärztliche Leistung unabhängig davon, wo sie erbracht wird, überall gleich viel wert sein", so der KV-Vorsitzende. Und das wiederum könnte ein Anreiz sein, sich auch hier niederzulassen.
Die dritte Ursache für den Ansturm insbesondere auf die Augenarztpraxen sieht der KV-Chef in den Desease-Management-Programmen (DMP), die die Kassen für Versicherte mit bestimmten Krankheitsbildern auflegen. Im Prinzip eine gute Sache, denn die Programme zielen darauf ab, die Versorgung und Betreuung chronisch Erkrankter zu verbessern. Doch auch hier kommt wieder zum Tragen, dass Mecklenburger und Vorpommmern überdurchschnittlich häufig an bestimmten Krankheiten leiden. So haben sich allein 40 000 AOK-Versicherte hierzulande in das DMP Diabetes eingeschrieben - für sie gehören regelmäßige Kontrollen beim Augenarzt ebenso zum Programm wie für die Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die bei ihrer Kasse an einem DMP teilnehmen. Sie alle müssen zusätzlich zu Akutfällen in die Praxisplanungen integriert werden.

Wertvolle Zeit geht für Diskussionen über Politik draufAls weiteren Grund für Wartezeiten in Praxen macht Dr. Eckert die aktuelle Gesundheitspolitik aus. Ob Arzneimittelaustausch oder Leistungsausgrenzungen: Was politisch gewollt ist, führt zu ständigen Diskussionen, für die wertvolle Zeit drauf geht, die schließlich bei der Behandlung der Patienten fehlt.

Natürlich seien Wartezeiten in gewissem Maße auch der Praxisorganisation geschuldet. Doch Dr. Eckert möchte niedergelassenen (Augen-)Ärzten und ihren Praxisteams keinen Vorwurf machen: "In vielen Praxen hier in Mecklenburg-Vorpommern haben wir noch relativ veraltete Praxisausstattungen. Dazu kommt, dass unsere Ärzte ein Drittel weniger an Personal beschäftigen, als das in den alten Bundesländern üblich ist." Daraus folge eine vergleichsweise niedrigere Durchlaufquote. Dennoch müsste aber ein Augenarzt hier 1800 bis 2000 oder manchmal sogar noch mehr Patienten behandeln. In den alten Bundesländern hätte ein Augenarzt dagegen nur 900 bis 1000 Patienten.

"Alle Augenärzte im Land haben uns aber zugesichert, dass jeder Akutfall von ihnen behandelt wird" , so Dr. Eckert. Wenn allerdings ein Arzt einem Patienten, der um einen Vorsorgetermin bittet, empfiehlt, sich an eine andere Praxis zu wenden, dann hat er Verständnis dafür.

 

   

 

 

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